Mittelstandsfinanzierung: Banken in Not – Unternehmen in Not

Qualität von Innovationsberatungen
Auf den Mittelstand kommen in seiner Finanzierung neue Herausforderungen zu: Unternehmen sollten den Ertragsdruck bei ihren Hausbanken in der eigenen Finanzierungsstrategie berücksichtigen.

Diese These vertritt KMU-Berater Carl-Dietrich Sander und begründet sie in seinem folgenden Beitrag in sechs Schritten. Auch in der Fachgruppe Finanzierung-Rating der KMU-Berater werden diese Entwicklungen aufmerksam verfolgt und diskutiert.
Die sechs Schritte:

1. Sparkassen halten den Ball flach
2. Bereits 2014 waren die Sparkassen im Durchschnitt zu ertragsschwach
3. Die Banken selber gehen für die nächsten Jahre von deutlich sinkenden Erträgen aus
4. Warum wird über die Folgen für das Kreditgeschäft nicht offen kommuniziert
5. Schlussfolgerungen für Mittelständler und ihre Berater
6. Selbstscheck für Unternehmen zu diesem Themenkomplex
1.  Sparkassen halten den Ball flach

Zumindest ist das die Überschrift über dem Aufmacher der SparkassenZeitung vom 12.02.2016 zur Bilanzsaison 2015. Aus diesem Beitrag sei zitiert: "Der sich abzeichnende Trend der Sparkassen-Bilanzsaison zeigt ein gutes Kredit- und Einlagengeschäft, aber sinkende Zinsüberschüsse, die Spuren beim Betriebsergebnis hinterlassen." Und:"Insbesondere die Niedrigzinsphase und die Regulierungskosten setzen den Instituten zu. Oft kommen notwendige Investitionen in die IT-Infrastruktur als Belastung hinzu. Filial- und Gebührenstrukturen kommen angesichts des Kostendrucks oft genug auf den Prüfstand, und auch Fusionen sind ein Thema."
Etwas weniger vornehm formuliert: Filialen werden geschlossen, Gebühren erhöht und – vor allem kleinere Sparkassen – werden über Fusionen lebensfähig erhalten.
Als "Die Ruhe vor dem Sturm" überschreibt die SparkassenZeitung vom 26.02.2016 einen Beitrag über die Ertragsentwicklung der Sparkassen des Ostdeutschen Sparkassenverbandes: Für 2016 rechnet der Verband mit einem Ertragsrückgang von durchschnittlich 14 %.
Was in diesen Beiträgen nicht angesprochen wird: Auch in der Kreditpolitik werden die Institute vorsichtiger sein müssen. Die Begründung dazu: Siehe im weiteren Verlauf dieses Beitrags.
Ganz ähnlich bei den Genossenschaftsbanken: Pfeifen im Walde?
Im Handelsblatt vom 23.02.2016 wird ein Interview mit BVR-Präsident Fröhlich überschrieben mit "Wir können noch lange damit leben" – gemeint ist die Tiefzinsphase. Auch hier natürlich nur die Durchschnittsbetrachtung über die Institute. Und auch hier kein Hinweis auf eine intensivere Bonitätsselektion.

2. Bereits 2014 waren die Sparkassen im Durchschnitt zu ertragsschwach

Die Bundesbank berichtet jedes Jahr im September in ihrem Monatsbericht über die "Ertragslage der deutschen Kreditinstitute". Also im September 2015 über die Ertragslage 2014. Die wichtigsten Schlaglichter:

  • Die Sparkassen erwirtschafteten im Durchschnitt aller Institute (!) ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 0,85 % der durchschnittlichen Bilanzsumme.
    Dies ist die zentrale Kennzahl für die operative Ertragskraft einer Bank oder Sparkasse.
  • Die Genossenschaftsbanken lagen bei dieser Kennzahl im Durchschnitt bei 0,98 % und damit erstmals deutlich vor den Sparkassen.
  • Die Messlatte für diese Kennzahl: Eine regionale Bank oder Sparkasse muss dauerhaft ein Niveau von 1,00 % gewährleisten, um Risiken im Kreditgeschäft und bei den Eigenanlagen verarbeiten zu können (man geht von ca. 0,30 % aus) sowie Dividende auszuschütten, das Eigenkapital über Rücklagenbildung zu stärken und Ertragssteuern zu zahlen.

Wenn davon auszugehen ist, dass die Erträge weiter sinken – wo wird die Reise hin gehen?! Und man bedenke den Durchschnitts-Effekt: Die Sparkasse Aachen hat laut SparkassenZeitung für 2015 ein Betriebsergebnis von Bewertung von 1,41 % erwirtschaftet – alle Achtung! Umkehrschluss: Viele Institute liegen bereits deutlich unter 0,85 %.
Das wird auch bei den Sparkassen des Ostdeutschen Verbandes deutlich, die 2015 im Durchschnitt noch ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 1,15 % der Durchschnittsbilanzsumme erwirtschaftet haben. Für 2016 aber im Schnitt nur noch mit rund 1,00 % rechnen. Und wenn diese 45 Institute so hoch über dem bundesdeutschen Schnitt liegen: Wie viele Institute in den alten Bundesländern müssen dann ebenso deutlich unter dem Durchschnitt liegen!
Und weiter: Dass die Institute immer noch recht gute Vorsteuerergebnisse ausweisen, liegt oftmals daran, dass in den Jahren 2014 und 2015 keine Risiken in Krediten und Eigenanlagen zu verzeichnen waren. Sondern im Gegenteil: Risikovorsorge konnte aufgelöst und als Ertrag vereinnahmt werden, was die Ergebnisse stützte. Aber wie lange wird das so bleiben?
Frage an den Mittelständler: Und Deine Banken? Unternehmen sollten möglichst nicht zu einem Institut eine Hausbankbeziehung haben, das Gefahr laufen könnte, in diesen Entwicklungen "in Not" zu geraten – also seine Kreditbereitschaft zurückfahren zu müssen.

3. Die Banken selber gehen für die nächsten Jahren von deutlich sinkenden Erträgen aus

Bundesbank und Bankenaufsichtsbehörde haben 2015 bei 1.500 regionalen Kreditinstituten eine Umfrage gemacht und deren eigene (!) Ertragsplanungen für die kommenden Jahre abgefragt. Über die Ergebnisse berichtete die Präsidentin der Hauptverwaltung in Nordrhein-Westfalen der Deutschen Bundesbank, Margarete Müller, bei einem Treffen des Düsseldorfer Finanz Forum am 15. Februar 2016:

  • Die Institut erwarten selber bis 2019 eine Rückgang der Vorsteuerergebnisse um im Durchschnitt 25 %
  • Ursache sind die rückläufigen Zinserträge. Der Zinsaufwand kann bei Zinssätzen von kaum noch über 0,00 % für Kundeneinlagen nicht mehr entsprechend mit zurückgefahren werden.
  • Die Bundesbank sieht in ihren Szenarien zum Teil – je nach zugrunde liegenden Annahmen – deutlich höhere Ertragsrisiken.

Die Bundesbank ist noch relativ gelassen, da aktuell keine negativen Risikoergebnisse, zum Teil sogar positive und die Institute ihr Eigenkapital in den letzten Jahren weiter gestärkt haben und zum Teil stille Reserven in den Bilanzen vorhanden sind. Die Bundesbank erwartet auch, dass die Institute diesen Weg der Gewinnthesaurierung weiter gehen. Die Anmerkung sei erlaubt: Das wird bei sinkenden Erträgen sicherlich schwieriger.
Vorsichtige Anmerkung von Frau Müller: Wichtig sei der Ausbau des Kreditgeschäfts zu angemessenen Preisen und Vorsicht vor der nächsten Kreditdelle (Konjunkturdelle) sei angebracht.

4. Warum wird über die Folgen für das Kreditgeschäft nicht offen kommuniziert?

Wenn die Kreditinstitute und ihre Verbände zu diesem Themenkreis an die Öffentlichkeit gehen, kommt das Thema "Mehr Vorsicht im Kreditgeschäft" nicht vor. Auch die Medien blenden das bisher aus. Und die Wirtschaftsverbände haben das Thema offensichtlich auch nicht auf dem Schirm. Eine Form von "political correctness"? Nur wem würde das nützen? Dem Mittelstand auf keinen Fall. Denn es täuscht eine "heile Kreditwelt" vor, die es in den kommenden Jahren immer weniger geben wird. Und darauf  sollten sich die Unternehmen vorbereiten.

5. Die Schlussfolgerungen für Mittelständler und ihre Berater

Es wird immer mehr darauf ankommen, mit den richtigen Banken (Mehrzahl!) zusammen zu arbeiten. Konkret:

  • Die Hausbanken sollten die Eigenkapitalanforderungen aus Basel III für 2019 bereits heute erfüllen (denn das weitere Aufstocken des Bank-Eigenkapitals wird schwieriger werden).
  • Zwei etwa gleich starke kreditgebende Hausbankverbindungen sind wichtig, um nicht von einer Bank / Sparkasse abhängig zu sein. Wer diese Konstellation heute noch nicht hat, sollte sie jetzt geplant angehen.
  • Die Hausbanken sollten auch heute noch möglichst ertragsstark sein. Denn nur ertragsstarke Institute können auf Dauer kreditaktiv sein – und kreditaktiv bleiben.
  • Der Finanzierungsbedarf des Unternehmens sollte mittelfristig abgeschätzt und jetzt gesichert werden.
  • Weitere Finanzierungspartner sollten für spezielle Themen in die Finanzierungsstrategie eingebunden werden (zur Entlastung der Kreditspielräume bei den Hausbanken – oft ist es empfehlenswert, die Kreditspielräume der Banken auf die Kontokorrentkreditlinien zu konzentrieren).
  • Es sollte eine klare Finanzierungs- und Sicherheiten-Strategie entwickelt und umgesetzt werden.
  • Basis dafür ist die Kenntnis der Risikobeurteilung durch die Kreditgeber – also die offene Kommunikation über Ratingnote und deren Bedeutung, die Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit und deren Einschätzung sowie die Bewertung der Sicherheiten. Ohne diese Informationen können Unternehmen ihre eigene Verhandlungsmachtposition nicht einschätzen. Fordern Sie diese Informationen sachlich ein.
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Weitere Konsequenz: Mit den Finanzierungspartnern offen über diese Fragen sprechen. Sie informieren als Unternehmerinnen und Unternehmer Ihre Kreditgeber bis ins letzte Detail über die wirtschaftliche Situation und Entwicklung Ihres Unternehmens. Da ist es ein Gebot partnerschaftlicher Fairness, dass Ihre Banken und Sparkassen auch ihre Fragen zu deren Geschäftsentwicklung beantworten.

6. Selbstcheck für Unternehmen zu diesem Themenkomplex

Oftmals hilft ein kurzer Selbstcheck, um die eigene Situation realistischer einschätzen zu können und so konkrete Handlungsimpulse abzuleiten. Am 18. April starten der Bundesverband Die KMU-Berater in Kooperation mit der Deutsche Unternehmerbörse DUB.de das "KMU-Banken-Barometer 2016": Ein Selbstcheck für Mittelständler zur Finanzierungs- und Bankensituation. Die Chance für Unternehmen: Zwölf Fragen beantworten, bereits bei den Antworten erste eigene Schlussfolgerungen ableiten und am Ende eine Auswertung lesen, die aus unbefangener Beratersicht erstellt wird.
Unternehmen, die am KMU-Banken-Barometer 2016 teilnehmen und an den Start erinnert werden möchten, nutzen bitte das Kontaktformular und geben bei Betreff das Stichwort "Banken-Barometer" ein. Der Bundesverband Die KMU-Berater wir Sie dann per Mail informieren. Die KMU-Berater sichern zu, dass Ihre Daten ausschließlich im Rahmen des "KMU-Banken-Barometer" genutzt werden.
Im Februar 2016

Nachtrag Mai 2016 – Aktuelle Ertragszahlen der Genossenschaftsbanken

In der "BankInformation" Mai 2016 berichtet der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) über die Ertragsentwicklung 2015. Und bestätigt die in diesem Beitrag angesprochene Befürchtung einer weiteren Verschlechterung der Ertragslage:

  • Rückgang des Zinsüberschusses von 2,21 % der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS) im Vorjahr auf noch 2,13% DBS im Jahr 2015
  • Dieser Rückgang um 0,08%-Punkte kann nicht  vollständig kompensiert werden durch Verbesserungen an anderer Stelle in der Bank-Gewinn-und-Verlustrechnung:
    • Provisionsüberschuss +0,01%-Punkte der DBS
    • Kosten ./.0,01-Punkte der DBS
  • Damit verringert sich das Betriebsergebnis vor Bewertung von 0,93% der DBS 2014 (andere Zahl als im Bundesbank-Bericht September 2015 – diese waren noch "vorläufig") auf noch 0,87% der DBS im Jahr 2015. Damit fehlen schon 0,13%-Punkte im Vergleich zu dem "eigentlich" nachhaltig erforderlichen Ergebnis von 1,00% der DBS.

Wenn Sie das Thema "Bankertragsentwicklung" weiter vertiefen möchten, dann lesen Sie auch den folgenden Beitrag: "Ertragsentwicklung Banken und Mittelstandsfinanzierung".