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ESUG – Eine Sanierungsalternative für KMU?

Von KMU-Berater Marc Ackermann.
Mit der zum 01.03.2012 in Kraft getretenen und mit dem klangvollen Namen ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) versehenen Insolvenzrechtsreform hegte der deutsche Gesetzgeber den frommen Wunsch, einen „Mentalitätswechsel für eine neue Insolvenzkultur“(1) einzuleiten. Damit sollte für den Bereich der Unternehmensinsolvenzen ein Anreiz für frühzeitige Insolvenzantragstellungen geschaffen auf die Sanierung und nicht die Abwicklung von in Schieflage geratenen Unternehmen fokussiert werden.
Vor dem Hintergrund, dass eine Vielzahl der von Unternehmen beantragten Insolvenzverfahren mindestens den Anfangsverdacht des (Straf-)Tatbestands der Insolvenzverschleppung durch die handelnden Unternehmer liefert, wollte der Gesetzgeber der häufig als Ursache angeführten „Angst vor Kontrollverlust“ gezielt entgegentreten. Hierzu stattete er das ESUG mit verbesserten Möglichkeiten eines selbstbestimmten Verfahrensablaufs aus:

  • Erleichterter Zugang zur Eigenverwaltung,
  • Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl des Insolvenzverwalters
  • sowie die Möglichkeit eines vor Gläubigerzugriffen geschützten Schutzschirmverfahrens zur Erstellung eines Insolvenzplans.

Ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf wird durch die Bestellung den häufig selbstgewählten Sachwalter gewährleistet.
Die auf den ersten Blick einleuchtenden und von der Grundidee begrüßenswerten Änderungen des Insolvenzrechts stoßen in der Praxis auf nicht unerhebliche Hürden. So trifft man als Krisenberater im Tagesgeschäft immer wieder auf Unternehmer, die – vielleicht als Ergebnis eigener nicht hinreichend umfassender Recherche – in letzter Konsequenz den als Makel empfundenen Verfahrensweg der Insolvenz emotional ablehnen. Damit wird häufig beispielweise die Chance einer frühzeitigen und geordneten Sanierung im Rahmen eines „freiwillig“ gewählten Schutzschirmverfahrens nicht genutzt.
Zusätzlich zu der weiterhin gefürchteten Stigmatisierung zeigen sich in der Praxis auch fast zwei Jahre nach der Insolvenzrechtsreform noch merkliche Rechtsunsicherheiten: So ist aktuell durch den BGH immer noch nicht abschließend geklärt, ob die Generierung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung(2) zulässig ist. Außerdem treffen krisengeplagte Unternehmer auf zusätzliche verfahrensseitige Unwägbarkeiten, weil die Insolvenzgerichte bei der Bestellung „selbstgewählter“ Sachwalter nicht einheitlich vorgehen.
Gerade kleinere Mittelstandsunternehmen stoßen auf zusätzliche Hindernisse bei der Nutzung der neuen Verfahrenswege wie das Erfordernis einer Gläubigerliste oder die für den Eintritt in das Schutzschirmverfahren notwendige Bescheinigung gem. § 270b InsO (Insolvenzordnung). Dementsprechend verwundert es nicht, dass am größten deutschen Insolvenzgericht Berlin-Charlottenburg in den ersten vier Monaten der Gesetzesanwendung unter ESUG mehr als 90 Prozent aller Eigenanträge aus formalen Gründen unzulässig waren (3). Auch wenn die Ablehnungsquote inzwischen rückläufig ist, ist die qualifizierte Begleitung und Beratung der in Schieflage geratenden Unternehmen nach wie vor nahezu unerlässlich.
Unabhängig von der generellen Reform des Insolvenzrechts und den aktuell noch bestehenden Hürden ist für die Krise von kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr wohl zu attestieren, dass Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung sinnvolle und zielführende Sanierungsinstrumente darstellen können. Dementsprechend weist der typische Schuldner im Eigenverwaltungsverfahren im Durchschnitt einen Jahresumsatz von 9 Mio. Euro auf und hat 90 Mitarbeiter(4).
Wie jedoch so häufig kann dieses Instrumentarium nicht blindlings als Allheilmittel bei der Sanierung von (kleinen und mittleren) Krisenunternehmen angesehen werden. Vielmehr ist – wie in der Vergangenheit auch – vor dem Hintergrund einer fundierten Bestandsaufnahme eine nachhaltige und ganzheitliche Sanierungskonzeption für das Unternehmen zu erstellen. Darin sind die Vor- und Nachteile aller gängigen Instrumente aufzuzeigen und hieraus nicht der vermeintlich makellose, sondern der unter Abwägung aller Aspekte erfolgversprechendste Weg in die Zukunft zu wählen.
Sofern die vorausgegangene Abwägung das ESUG-Instrumentarium als besten Sanierungsweg hervorbringt, scheinen aus heutiger Sicht die saubere Vorbereitung des Insolvenzantrages, die frühzeitige und offene Kommunikation mit dem zuständigen Insolvenzgericht sowie die Erarbeitung und Umsetzung eines alle Interessengruppen einbindenden Kommunikationskonzeptes Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Verfahrensweg zu sein. Inwieweit sich Befriedigungsquoten und Überlebensdauern der sanierten Unternehmen erhöhen, wird ohnehin erst nach Abschluss einer hinreichenden Zahl von ESUG-Verfahren erkennbar werden.
Fußnoten:
(1) Vgl. Bundesjustizminsterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Pressemitteilung des Bundesjustizministerium vom 23.02.2011 zum Regierungsentwurf zur Reform des Insolvenzrechts.
(2) Vgl. statt vieler: BGH mit Beschluss vom 7.2.2013 (IX ZB 43/12).
(3) Vgl. ZInsO Newsletter 7/2012, S. 8.
(4) Vgl. Zusammenfassung des Symposiums Insolvenzrecht am 08. und 09.10.2013, S. 3.
Dieser Beitrag ist erschienen in den "KMU-Berater News 2014-01: Krisen- und Sanierungsberatung in KMU".

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