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Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen – die Rechtslage ändert sich

Praxishinweise für den Beratungsalltag

KMU-Berater Carsten Lang schildert in seinem Beitrag die Ausgangslage und die in Arbeit befindlichen Reaktionen des Gesetzgebers und gibt Praxishinweise für den Beratungsalltag.

Ausgangssituation

Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 28.11.2016, veröffentlicht am 08.02.2017, hat der Große Senat des Bundesfinanzhof (BFH) den sog. Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom 27.03.2003, ergänzt durch BMF-Schreiben vom 22.12.2009) gekippt, da dieser seiner Auffassung nach einer gesetzlichen Grundlage entbehre und somit gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße. Eine Übergangsregelung sieht der Beschluss des BFH nicht vor.

Abruptes Ende für Steuerbefreiung

Somit hat der BFH der langjährigen Praxis des Erlasses von Körperschafts- und Einkommensteuer auf Sanierungsgewinne ein abruptes Ende bereitet. Folge ist, dass die Finanzverwaltung in allen Sanierungsfällen, in denen die Steuer auf den Sanierungsgewinn noch nicht erlassen wurde, den Sanierungserlass nicht mehr anwenden wird.

Dies hat insbesondere Bedeutung für ausgesprochene Forderungsverzichte gegen Besserungsschein, da in diesen Fällen der Sanierungserlass den Steuererlass erst nach vollständiger Erfüllung der Besserungsabrede vorsah.

Finanzgerichtliche Klagen auf Gewährung einer Steuerbegünstigung aufgrund des Sanierungserlasses werden zukünftig keinen Erfolg mehr haben. Zwar hat der BFH klargestellt, dass ein Steuererlass gem. §§ 163, 227 AO auch weiterhin aus außerhalb des Sanierungserlasses liegenden Billigkeitsgründen des Einzelfalls, insbesondere aus persönlichen Gründen in Betracht komme. Was hierunter im jeweiligen Einzelfall konkret zu fassen ist, bleibt allerdings unklar, was zu einer momentanen erheblichen Rechtsunsicherheit bei der Sanierung von Unternehmen führt.

Reaktion des Gesetzgebers

Auf Initiative der Ausschüsse für Finanzen und Wirtschaft des Bundesrates hat dieser am 10.03.2017 beschlossen, im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahren zum „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken um Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ in den Gesetzesentwurf u. a. jeweils einen § 3 a EStG (Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen) und § 3 a GewStG (Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen) einzufügen.

Steuerbefreiung nur auf Antrag

Eine Steuerbefreiung kann danach nach wie vor nur auf Antrag des Steuerpflichtigen erfolgen. Wie auch schon der Sanierungserlass, definiert der Gesetzesvorschlag den steuerbegünstigten Sanierungsgewinn als Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass ausschließlich zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung.

Hierdurch wird, wie schon in der Vergangenheit, klargestellt, dass eine steuerbegünstigte Sanierung nicht vorliegt, wenn Schulden erlassen werden, um dem Steuerpflichtigen oder einem Beteiligten einen schuldenfreien Übergang in sein Privatleben oder den Aufbau einer anderen Existenzgrundlage zu ermöglichen.

Voraussetzungen für die Steuerbefreiung

Die Steuerbefreiung knüpft kumulativ an die vier vom Sanierungserlass bekannten ausdrücklichen Voraussetzungen an:

  • Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens
  • Sanierungsfähigkeit des Unternehmens
  • Eignung des Schuldenerlasses als Sanierungsmaßnahme
  • Sanierungsabsicht der Gläubiger.

Als zusätzliche fünfte Voraussetzung nennt der Gesetzesvorschlag den Schuldenerlass aus betrieblichen Gründen, welche jetzt auch bei Fortführung des Unternehmens gelten soll. Hierdurch sollen die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Erlass von Schulden aus dem Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.

Steuerbegünstigung bei Forderungsverzichten

Der Gesetzesvorschlag enthält nicht mehr explizit die Fiktion, dass bei Vorliegen eines Sanierungsplans die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind. Allerdings ist der Vorschlagsbegründung des Bundesrates zu entnehmen, dass auch eine Steuerbegünstigung im Falle von  innerhalb eines Insolvenzplanverfahrens gegeben ist, wenn der Insolvenzplan nicht die Liquidation der Unternehmung regelt.

Bei Antragstellung soll eine vom Sanierungserlass abweichende, pauschalierende Regelung hinsichtlich des Verlustabzugs greifen, dahingehend, dass sämtliche Möglichkeiten einer Verlustverrechnung ausgeschlossen sind. Dies soll dadurch geschehen, dass:

  • sämtliche bestehenden Verlustvorträge aus Vorjahren zum Zeitpunkt des Beginns des Sanierungsjahres (Veranlagungszeitraum der Entstehung des Sanierungsgewinns) entfallen und
  • im Sanierungsjahr entstehende Verluste nicht mit anderen Gewinnen, außer dem Sanierungsgewinn, verrechnet werden oder in anderen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden können.

Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung in voller Höhe des Sanierungsgewinns zieht obige nachteilige Folgen auch dann nach sich, wenn etwaige bestehende Verlustvorträge oder ein laufender Verlust die Höhe des Sanierungsgewinns überschreiten, so zum Ende des Sanierungsjahres die Verlustvorträge immer mit 0 EUR festzustellen sind.

Kosten die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem steuerfreien Sanierungsgewinn stehen, dürfen, unabhängig von dessen Entstehung, nicht mehr als Betriebsausgaben steuermindernd geltend gemacht werden. Hierunter fallen u. a. Zahlungen auf Besserungsvereinbarungen und auch die Sanierungskosten.

Zuständigkeit der Gemeinden

Auch zu Zeiten des Sanierungserlasses waren für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ausschließlich und unabhängig von der Entscheidung der Finanzämter, auch nach der Änderung des § 184 Abs. 1 S. 1 AO durch das ZollkodexAnpG, die jeweiligen Gemeinden zuständig (Hinweis der OFD Nordrhein-Westfalen vom 06.02.2015).

Die Entscheidung bezüglich eines Steuererlasses steht in jedem Einzelfall in deren Ermessen, so dass für eine erfolgreiche Sanierung separate Verhandlungen mit den Gemeinden erforderlich sind, was durch mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens auf (z.B. Filialisten) in unterschiedlichen Gemeinden zusätzlich erschwert wird. Der Gesetzesvorschlag soll nun eine Gleichbehandlung von Einkommen-, Körperschaft-, und Gewerbesteuer hinsichtlich der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen bewirken.

Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission

Nach dem Willen des Bundesrats können die Anträge auf Steuerbefreiung der Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer einerseits und der Gewerbesteuer andererseits im Hinblick auf die Verlustverrechnung unabhängig voneinander gestellt werden.

Die neuen Gesetzesregelungen sollen für alle offenen Fälle Geltung erlangen. Das Inkrafttreten der gesetzlichen Vorschriften steht allerdings unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission.

Diese muss sich zu der bislang umstrittenen und vom BFH bisher nicht zu entscheidenden Frage, ob es sich bei einer Steuerbefreiung/einem Steuererlass um eine EU-rechtswidrige Beihilfe handelt, äußern. Hierbei wird die EU-Kommission wohl auch die von ihr angestrebte Richtlinie zur präventiven außergerichtlichen Restrukturierung von Unternehmen im Blick haben, welche bei einer Besteuerung von Sanierungsgewinnen wohl kaum praktische Relevanz erlangen wird.

Bundesregierung: Rechtsunsicherheit beseitigen

Die Bundesregierung hat sich hinsichtlich des Gesetzesvorschlags des Bundesrats am 15.03.2017 insofern geäußert, dass sie dringenden Handlungsbedarf sehe, die durch die Entscheidung des BFH vom 28.11.2016 eingetretene Rechtsunsicherheit bei der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen zu beseitigen und den eingereichten Vorschlag prüfen werde. Insofern bleibt das weitere Gesetzgebungsverfahren abzuwarten.

Praxishinweis für die Sanierungsberatung

Soweit bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung zur Besteuerung von Sanierungsgewinnen außergerichtliche Sanierungskonzepte oder Insolvenzpläne zur Umsetzung gelangen sollen, ist im Hinblick auf eine etwaige Beraterhaftung zu empfehlen, zunächst als worst case die entstehende Steuerlast in der integrierten Finanzplanung abzubilden und zusätzlich inhaltlich einen Hinweis bezüglich der derzeit bestehenden Rechtsunsicherheit eines zu beantragenden Steuererlasses auf den entstehenden Sanierungsgewinn und ein eventuelles Scheitern der Sanierung bei Ablehnung des Antrags aufzunehmen.

Inwieweit ein beim Insolvenzgericht eingereichter Insolvenzplan, bei unter Berücksichtigung von Steuern auf den Sanierungsgewinn negativer Finanzplanung, vom Gericht gem. §§ 231 Abs. 3, 258 Abs. 2 InsO wegen mangelnder Erfüllbarkeit von Amts wegen zukünftig zurückgewiesen wird, bleibt abzuwarten.

Da die Steuer auf den Sanierungsgewinn erst mit Ende des aktuellen Veranlagungszeitraums entsteht, dürfte in den Fällen, in denen dieser Zeitpunkt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens liegt, keine Rechtsgrundlage hierfür bestehen. Bei der ohnehin anzuratenden ersten inoffiziellen Vorlage und Besprechung des Insolvenzplans mit dem zuständigen Richter sollte dieser Aspekt besondere Berücksichtigung finden.

Alternative durch Entscheidung des LG Düsseldorf

Alternativ eröffnet die Entscheidung des LG Düsseldorf vom 21.09.2015 (25 T 404/15) grundsätzlich die Möglichkeit im Rahmen der Insolvenzplanerstellung mit dem Finanzamt über einen Verzicht der später entstehenden Steuern auf den Sanierungsgewinn zu verhandeln. Nach dieser Entscheidung handele es sich diesbezüglich bei dem Finanzamt zwar um einen Neugläubiger, der grundsätzlich nicht in eine gestaltende Planregelung einbezogen werden darf, es sei denn, er stimme der Regelung ausdrücklich zu.

Verzichtsregelung ohne vorherige Zustimmung des FA

Eine Verzichtsregelung im Plan ohne vorherige Zustimmung des Finanzamts ist kritisch zu sehen, da zum einen die Möglichkeit einer verfahrensrechtlichen Ersetzung der Zustimmung gem. § 245 InsO in diesem Fall generell umstritten ist und jedenfalls bei einem Komplettverzicht wohl auch die inhaltlichen Voraussetzungen hierfür fehlen dürften, so dass der Insolvenzplan mangels notwendiger Gläubigerzustimmung scheitern würde.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass das Finanzamt mittels einer sofortigen Beschwerde den Plan zu Fall bringt oder wenigstens seine Rechtskraft nicht unerheblich verzögert.

Ergänzend: Hintergrund (nicht mehr anwendbarer) Sanierungserlass

Die erfolgreiche Sanierung eines Unternehmens, auch eines Einzelunternehmers, geht in aller Regel mit der zwingenden Notwendigkeit von Forderungsverzichten der Gläubiger einher. Dies gilt sowohl im Falle einer außergerichtlichen Sanierung, als auch im Insolvenzverfahren mittels eines Insolvenzplans (in Eigenverwaltung gem. §§ 270 a ff. InsO oder im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens).

Ein solcher Forderungsverzicht stellt beim sanierten Unternehmen einen außerordentlichen Ertrag dar, welcher zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens führt.

Dieser Sanierungsgewinn ist nach Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Jahr 1997 – danach waren Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden steuerfrei – grundsätzlich steuerpflichtig.

Seit dem Jahre 2003 konnte sich die Sanierungspraxis auf das BMF-Schreiben vom 27.03.2003 (sog. Sanierungserlass) berufen. Dieser sieht vor, dass Ertragssteuern auf begünstigte Sanierungsgewinne von den Finanzämtern unter vorheriger Anrechnung der Verlustvorträge und negativer Einkünfte auf Antrag aus sachlichen Billigkeitsgründen zunächst gestundet und anschließend zu erlassen sind.

Das Vorliegen eines (schlüssigen) Sanierungskonzepts indizierte die Erfüllung der Erlassvoraussetzungen, woraus sich seitens der Finanzverwaltung eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich eines Steuererlasses ergab. Das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 erweiterte den Anwendungsbereich jenes vom 27.03.2003 auf Sanierungsgewinne aus einer Restschuldbefreiung und einer Verbraucherinsolvenz. Außerdem ist geregelt, dass der Insolvenzplan ein originärer Fall eines Sanierungsplans ist.
März 2017

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